RPG: Midnight Valentine

Sommer, Sonne, Sonnenschein, Amerika. Dies alles zeigte sich gerade zu dieser Jahreszeit im ganzen Land. Bands kamen und gingen und doch würde es schon bald wieder neue geben, auch wenn es vielleicht nicht die beste Jahreszeit zum Start in ein neues Bandleben war. Die Straßen waren mehr als nur überfüllt und überall schafften es die großen Händler durch den Verkauf von Wasser allein, neue Rekorde aufzustellen.

*

Gerade jetzt hielten Jayden und Noah die beiden ex-Mitglieder einer eher unbekannten Band, ein kleines Casting ab. Auf der suche nach einem neuen Sänger oder einer neuen Sängerin und noch einer Person die das Bass hinzusteuerte, waren sie schon den ganzen Tag, doch bis jetzt war bis auf ein paar wenige noch niemand in die engere Auswahl gekommen.
Gerade waren die letzten 5 Teilnehmer an der Reihe, aber langsam wurde es für die beiden auch mehr als nur anstrengend, denn immerhin hatten sie in letzter Zeit schon über 1000 Teilnehmer für ihr Casting angesehen und dies war doch etwas, was einem schnell die Nerven rauben konnte, besonders an einem so warmen Tag.

*

Mein silbernes Haar noch einmal richtig legend, schaute ich aus dem Augenwinkel heraus zu meinem schwarzweißen Bass. Ich wusste nicht, ob ich eine große Chance hatte weiterzukommen, aber ich wollte es immerhin versuchen, da es sonst für mich hieß: Ab in die Medizin, und ehrlich gesagt war mir die Musik sehr viel lieber, auch wenn dies ebenso eine harte Arbeit darstellte. Anschließend zog ich noch einmal mein Shirt zurecht [Alltag:nr. 8]
Neugierig musterte ich danach die anderen Teilnehmer und fragte mich wer von ihnen wohl eine Chance hatte, da man das doch wirklich schwer einschätzen konnte, auch wenn es nicht meine Aufgabe war.
...

Völlig genervt saß ich auf einem weißem Plastikstuhl. Schon seid Stunden saß ich hier und sah die verschiedensten Leute in den Vorsprechraum rein und raus gehen. Einige kamen mit einem fetten Grinsen, welches bei machen echt unmenschlich aussah, andere mit einem verheulte Gesicht aus der Tür.
Und ich? Ich war einer der Letzten! Und das nur wegen diesen scheiß Touristen! Wegen diesen notgeilen Fotografiersuchtis kam ich nicht durch die Fußgängerzone, weil sie jede erdenkbare Ritze des Bürgersteigs zugestellt hatten! Wie ich es doch hasste!
Ich seufzte entnervt. Da ich zu spät kam, wurde ich zu spät registriert und saß deswegen Ewigkeiten auf diesem billigen, unbequemen Stuhl und langweilte mich zu Tode.
So langsam starb mein schöner Hintern ab und ich fragte mich, warum man diese bescheuerten Sitzgelegenheiten eigentlich herstellte? Sie waren mega unbequem und potthässlich! Das einzige an ihnen, was positiv war, war die Tatsache das sie kaum Geld kosteten.
Gelangweilt spielte ich mit den Nieten an meiner Jacke (Alltag 1) und summte das Lied, welches ich vorsingen wollte.

Ich sah mich weiterhin neugierig im Raum um, versuchte aber nicht wirklich einen Ton von mir zu geben oder mich über die wirklich unbequemen Stühle zu beschweren. Mein Griff glitt schlussendlich zu meinem Bass, als ich ein leises Summen vernahm. Mir selbst kam das Lied, was die Frau in meiner Nähe summte mehr als nur bekannt vor, weshalb ich einfach anfing die Melodie dazu auf meinem Bass nachzuspielen. Mir war nicht danach, ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, aber es war doch ein guter Zeitvertreib und so genoss ich doch diesen kleinen Augenblick, den ich gerade begonnen hatte.
Den Blicken der anderen war ich mir jedoch durchaus bewusst, auch wenn ich darauf nicht wirklich einging.
...

Überrascht stoppte ich und richtete meinem Blick auf eine Frau, die in der Nähe saß und doch tatsächlich zu meinem gesummten Lied Bass spielte. Neugierig rückte ich ein paar Plätze weiter, bis ich auf dem Stuhl neben ihr saß.
„Du kennst den Song?“, fragte ich verblüfft und lächelte freudig. „es ist einer meiner Lieblingssongs. Die Band is klasse, ne?“, plapperte ich einfach drauf los, ohne sie richtig zu Wort kommen zu lassen.
„Hast du Lust auf ne Runde?“ Gespannt und voller Vorfreude, endlich war meine Langeweile weg, sah ich sie an.

"Ja ich kenne die Band.", meinte ich und schaute sie daraufhin freundlich an, mein Lieblingslied war es zwar nicht, aber es spielte für mich auch nicht wirklich eine Rolle.
Ich überlegte, ob ich mich ihr jedoch erst einmal vorstellen sollte, aber schlussendlich ließ ich es einfach bleiben und wartete einen späteren und vor allem besseren Augenblick ab.
"Ja klar.", sagte ich dann vollkommen begeistert und war jetzt doch feuer und Flamme. So ignorierte ich auch, dass wir eigentlich aufpassen sollten, wann wir dran waren uns den beiden zu "präsentieren"
...

Freudig wippte ich mit meinem Bein und gab somit den Takt an. Dann zählte ich langsam von 1 bis 4 und erhob meine Stimme: „You made a mistake...On the day that you met me and lost your way“ begann ich sanft und klopfte weiterhin mit meiner Fussohle auf den Boden (Für alle dies net kennen: I´m Not An Angel – Halestorm)
Meine Stimme hallte durch den ganzen Raum und so langsam bekamen wir viele Zuschauer bzw. Zuhörer. Einige von der Organisationsleitung, aber auch Kandidaten, die entweder warteten oder noch nicht gegangen waren. Das störte mich allerdings wenig, ich genoss sogar und lächelte beim singen vor mich hin.
„I don't have wings so flying with me won't be easy.....Cause I'm not an angel, I'm not an angel...“

Ich selbst fand wirklich, dass diese mir unbekannte Person eine wunderbare Stimme hatte und so stieg ich auch gleich mit dem Spielen mit ein. Die Noten selbst zu treffen, fiel mir nicht wirklich schwer und so war es für mich auch kein Problem, die Leute im Raum zu mustern, während wir hier unser kleines "Schauspiel" vorführten. Mir entgingen die vielen Leute zwar nicht, aber ich wollte auch nicht wirklich, dass mich diese vielen Menschen verunsicherten.
Womit ich aber niemals gerechnet hatte war, dass Jayden und Noah aus dem Nachbarraum zu uns kamen und sich zu den anderen Menschen gesellten.
...

Der letzte Satz gesungen, die letzten Töne gespielt und das ganze Schauspiel hatte ein Ende. Froh sah ich die junge Frau neben mir an, während die Zuschauer im Raum lauthals klatschen. Einige pfiffen sogar. Die Weißhaarige konnte wirklich gut spielen, ich war beeindruckt. Gedanklich drückte ich ihr jetzt schon die Daumen, dass alles glatt lief.
Plötzlich und unerwartet legte sich eine Hand auf meine Schulter, welche mich zusammenzucken ließ. Geschockt und überrascht zugleich schaute ich hinter mich und erkannte die zwei Juroren, die uns beide mit einem fetten Grinsen ansahen.
Nach einer Minute der Verwirrung erreichte diese simple Antwort auch meinen Verstand und laut rief ich aus, während ich aufsprang und meine Hände zusammen klatschte: „Geschafft?“

Ich war weiterhin der festen Überzeugung, dass ihre Stimme wirklich grandios war und ich fing an sehr darauf zu hoffen, dass sie es schaffen würde zu Noah und Jayden in die Band zu kommen. Zwar hoffte ich es für mich selbst auch, aber ein wenig war das ja auch etwas erlaubt, also daran zu glauben, dass man es selbst ebenfalls schaffen konnte. Sicher konnte man es ja nicht sagen, da es doch bestimmt einige gab, die eine Zusage erhalten hatten, aber trotzdem hoffte ich weiter. Während ich spielte verschwand ich doch so in meiner eigenen Welt, sodass ich nicht einmal mehr auf Blicke oder dazukommende Personen achtete, die sich uns näherten.
Als sie aufhörte zu singen, hörte ich auch auf auf meinem Bass dazu zu spielen. Meine Fingerspitzen kribbelten leicht davon, da ich ohne Plektrum spielte, aber ich hatte mich in der langen Zeit daran gewöhnt, auch wenn es im ersten Augenblick immer wieder unangenehm war.
"Was?!?", stellte ich überrascht fest und hielt gerade noch rechtzeitig mein Bass best, bevor es mich noch heruntergefallen wäre.
...

Zur Bestätigung meiner Frage nickte einer der Beiden, ich glaube er hieß Jayden, und der Anderen, in diesem Falle dann Noah, zeigte uns seinen hochgestellten Daumen.
Jetzt rasstete ich völlig aus. „WUHU!“, schrie ich erfreut und hüpfte ein paar Mal auf und ab. Dann drehte ich mich im Kreis und sang leise vor mich hin: „Ich habs gescha~haft, ich hab es gescha~haft...“ Wieso ich bestanden hatte, war mir zwar nicht ganz klar, aber das ging mir gerade gehörig am Arsch vorbei. Ich war weiter, das reichte!

Leicht lächelnd sah ich dem ganzen "Spiel" hier zu, bevor ich mein Bass wieder neben mir abstellte. Ich mochte es und der schwarz weiße Farbton, passte doch perfekt zu dem, was ich mir immer gewünscht hatte. Damals hätte ich niemals erwartet, dass ich es einmal so gut spielen konnte, aber wenn man eben daran glaubte, schafften man doch alles, auch wenn ich oftmals schon verunsichert gewesen war.
"Ich glaube, wir haben uns noch nicht vorgestellt..", begann ich und schaute zu der schwarzhaarigen, die vor mir noch immer glücklich auf und ab sprang.
"Ich bin Yazoo und du?", fragte ich die schwarzhaarige schlussendlich.
...

Ich stoppte in meiner Bewegung und sah die Weißhaarige erstaunt an. Stimmt ja, wir hatten uns noch nicht vorgestellt. In dem Augenblick bemerkte ich auch die ganzen Leute, die uns bzw. mich immer noch musterten.
`Verdammt!´ fluchte ich in Gedanken. Ich hasste es im Mittelpunkt zu stehen, auch jetzt.
So gut es ging ignorierte ich die Gaffenden und reichte Yazoo, wie sie sich vorstellte, die Hand.
„Hi“, meinte ich freundlich. „Mein Name ist...“, ich stoppte und überlegte was ich ihr sagen wollte. „... Poppy“ beendete ich schließlich meinen Satz.

Etwas verblüfft, was auf keinen Fall negativ anzusehen war, schaute ich sie im Nachhinein an und musste zugeben, dass mich ihre Art doch irgendwie glücklich stimmte. Noah und Jayden selbst standen gerade noch immer mit einem breiten Grinsen im Gesicht da. Es überraschte mich doch, wie anderes eine Band unter sich sein konnte, im Gegensatz dazu, wie sie auf ihre Fans reagierte.
Anschließend griff ich auch wider nach meinem Bass, bevor ich es mir über meine rechte Schulter hing.

...

Diese Yazoo schien nett zu sein, eine gute Voraussetzung wenn wir beide es wirklich in die Band schafften. Bis jetzt hatten wir ja nur das Casting bestanden... Wie es wohl weiter geht?
Fragend widmete ich mich Noah und Jayden zu. „Ähm, sagt mal, wie geht es denn jetzt weiter? Wann findet die nächste `Prüfung´ statt? Und dürfen wir jetzt wieder nach Hause?“ Noah und Jayden sahen einander an und zuckten mit dem Schultern. Verwirrt zog ich eine Augenbraue hoch. Wie jetzt? Hieß das etwas das sie nicht wussten, was ab ging?

Während ich mir mein Lachen verbat und stattdessen nur amüsiert darüber grinste, sah ich zu den beiden. Ehrlich gesagt hatte ich damit nicht gerechnet und so empfand ich es auch als recht lustig, dass die beiden anscheinend genauso überfordert waren, wie wir.
"Das macht alles die Verwaltung, die wird euch bescheid geben.", meinte Noah, aber eine direkte Antwort darauf, konnte er uns trotzdem auch nicht geben.
...

Verwirrt nickte ich nur und innerlich schüttelte ich gleichzeitig den Kopf. Kaum zu fassen wie organisiert sie waren. Naja, ich sollte mich nicht beschweren, war ja nicht besser...
Und irgendwie logisch war es ja auch. Bei der Anmeldung sollte man Name und Telefonnummer angeben, jetzt wusste ich auch wofür.
Ich schnappte mir meine echt coole Tasche, die auf dem Boden neben dem ungemütlichen Stuhl, auf dem ich Stunden saß, lag, und verabschiedete mich elegant von allen.
„Bis irgendwann mal!“ Ich wandte mich der Weißhaarigen zu. „War echt cool, dass wir zusammen gespielt haben. Wir sehn uns bestimmt mal wieder. Bis dahin auf wiedersehen“, lächelte ich und marschierte schnurstracks aus dem Gebäude.

Während ich ihr leicht nickend hinterher sah, murmelte ich nur ein kleines "auf Wiedersehn" und verabschiedete mich danach auch von Jayden und Noah, bevor ich mit meinen Händen in den Hosentaschen, das Gebäude ebenfalls verließ. Draußen empfing mich sofort die Hitze und ich musste zugeben, dass diese schon recht unangenehm war.
Ich rückte mein Bass schlussendlich einmal zurecht und ging dann in Richtung U-Bahn, mit der ich zu meinen Eltern fahren wollte. Zwar wohnte ich nicht mehr bei ihnen, aber ich wollte sie sowieso besuchen. Eigentlich wusste ich, dass sie lieber wollten, dass ich in die Medizin ging, aber damit würde ich wohl auch den Teil meines Ichs vergessen, den ich gerade jetzt ausleben wollte.
In der U-Bahn war es wie immer recht voll, weshalb ich mich einfach an einer der stangen festhielt und darauf wartete, dass die Bahn sich in Bewegung setzte.
...

Leide summend lief ich durch die Straßen Floridas. Ausnahmsweise regte ich mich nicht wegen den vielen Leuten, die sich an mit vorbei drängelten und manchmal nicht gerade freundliche Wörter murmelten, auf sondern tänzelte fast auf dem Bordstein zu einer der vielen Eisdielen. Dort stellte ich mich erst einmal und das störte ich komischer Weise auch nicht. Dank diesem Vorsprechen war meine Laune auf dem Höhepunkt!
Grinsend schleckte ich an meinem Eis, während ich nach Hause lief.

Die Fahrt an sich dauerte nicht besonders lange, auch wenn die Luft in diesem Zugwaggon nicht mehr die beste war und dies nur noch von dem Geruch der Zigaretten verschlimmert anstatt verbessert wurde. Die Leute schwiegen oder telefonierten zu gleichen Teilen, während andere ihre Umgebung musterten, wie als könnten sie jede Sekunde, die sie nichts im Blick hatten etwas verpassen oder das ihnen sogar deshalb etwas geschehen konnte.
Mein Blick ruhte zur selben Zeit wirklich nur auf der Tür, bevor ich mitbekam, dass wir an meiner Station hielten und ich sofort ausstieg. Erleichtert darüber, frischere Luft einzuatmen, fuhr ich mit den Rolltreppen zurück ans Tageslicht und lief ort nur noch die Straße bis an deren Ende weiter, zu dem Haus meiner Eltern.
...

Mein Eis war auf dem Weg zu meiner Wohnung teils in meinem Magen teils auf meiner Hand gelandet. Durch die Hitze schmolz mein schönes Eis und ich war nicht schnell genug es zu essen. Ich hatte zwar keinen Hunger mehr, aber dafür eine klebrige Hand. Toller Tausch. Als ich bei mir ankam, lief ich direkt in die Küche und wusch mir das klebrige Zeug von der Hand. Danach zog ich mir meine Schuhe und meine Jacke aus, mir war komischerweise nicht warm, und pflanzte mich mit dem Telefon auf die Couch.

Ich selbst stand dann auch bald direkt vor dem Haus, in dem ich die vielen Jahre meines Lebens verbracht hatte. Es war nicht besonders groß, aber dies fiel mir doch immer erst dann auf, wenn ich nach Wochen wieder hier her gekommen war, auch wenn mich dies früher niemals gestört hatte und heute störte mich die Größe meines Zuhauses ebenfalls nicht. Ich trat anschließend zur Eingangstür und klingelte, da ich heute meinen Schlüssel nicht dabei hatte, woraufhin mir meine Mutter die Tür öffnete. Sie war nur ein kleines Stück größer als ich, aber man konnte uns ebenfalls unsere Herkunft gut ansehen. Mein Vater war noch arbeiten und so war ich mit meiner mutter allein.
...

Ruhig tippte ich die Nummer meiner besten Freundin. Sie hatte darum gebeten, dass ich nach dem Casting sofort anrufen sollte. Also machte ich das jetzt.
Hibbelig wartete ich, dass sie abnahm. Es dauerte auch nicht lange da hörte ich ihre Stimme aus dem Hörer kreischen. „Wie war es? Wie war es? Wie war es?“, rief sie und ich konnte mir vorstellen wie sie jetzt voller Vorfreude auf ihrer Unterlippe herumkaute.
„Was meinst du? Mein Tag? Mein Tag war ganz schön bis jetzt.“, meinte ich scheinheilig und grinste.
„Ann`, das meinte ich nicht. Das weißt du ganz genau. Wie war das Casting?“
„Das Casting? Nun, um ehrlich zu sein hatte ich gar keins.“, redete ich um den heißen Brei herum und lachte mir innerlich ins Fäustchen. Ich liebte es sie zu necken.
„Wie du hattest keins? War das Casting denn nicht heute?“, ich hörte förmlich wie ihr Hirn arbeitete.
„Doch, doch das Casting war heute, nur hab ich mich nicht vor die Jury gestellt und vorgetragen.“
„Aber... WARUM? Ich dachte du hast dich soo drauf gefreut? Warum hast du gekniffen?“ Ihre Verwirrung war bei jedem Wort deutlich herauszuhören.
„Ich habe nicht gekniffen“, grinste ich.
„Oh man, Ann`! Lass dir doch nicht allen aus der Nase ziehen! Ich hasse das, wenn du das machst!“, zeterte sie und machte wahrscheinlich einen Schmollmund.
„Okay, okay, ich hör schön auf. Also, das war so...“

Drinnen empfing mich sofort der beißende Geruch von Räucherstäbchen, dieser vertrieb aber auch die anderen Gerüche, die sich sonst hätten drinnen ausbreiten können.
Als ich meine Schuhe ausgezogen und mein Bass abgestellt hatte, begleitete ich meine Mutter zu unserem Teetisch, der mitten auf einem hölzernen Podest in unserem Wohnzimmer stand, ja wir wollten uns eben ein Stück unserer Kultur erhalten, auch wenn sie traditionell veranlagt war und ich eben mich nur wirklich mit der Musik in letzter Zeit beschäftigte, auch wenn ich zugeben musste, dass ich unsere Kultur liebte.
Ich schenkte meiner Mutter und mir anschließend etwas Tee ein und wir tranken diesen zusammen, während ich ihr erzählte, wie das "Casting" heute abgelaufen war und ja sie zeigte genau die gleiche Reaktion darauf wie ich, aber nun konnten wir nur noch abwarten. Und da wir gerade eben schon Tee tranken, konnte man eben sagen, dass es abwarten und Tee trinken hieß.
...

Auf der anderen Leitung war es still, schon seid mindestens einer Minute. Anscheinend fehlten meiner Freundin die Worte nach meiner langen, zum teil ein bisschen übertrieben Story. Geduldig wartete ich, spielte lässig mit der Fernbedienung, die auf der Couch lag, und ließ ihr alle Zeit der Welt. Ich hörte sie atmen, leise und dann: Ein kräftiger Zug.
Sie brüllte in den Hörer, sodass ich das Telefon einige Zentimeter von meinem Ohr entfernen musste. Ich wollte auf keinen Fall einen Hörschaden bekommen.
„Waaaaaaaas? Ich glaubs ja nicht, wie coooool is das denn?!“ quietschte sie und zog die Vokale extra lang, „Ach du meine Güte, ihr habt das einfach gesessen und gesungen, also du hast gesungen, sie hat gespielt, Yasoo richtig?...“
Ich unterbrach sie: „YaZoo.“
„Was? Oh, okay, dann Yazoo, also ihr habt da gesessen und Musik gemacht und dann kamen die Bandmitglieder einfach so und haben euch aufgenommen! Ich kanns net glauben, wie abgefahren!“ „ Richtig drinnen sind wir ja noch nicht. Es kommt noch ein Auscheidungsbettle, die Gewinner sind dabei.“
„Ach egal, du hast es geschafft, das reicht! Dieses Bettle schaffst du doch mit links!“ kicherte sie.
Ich lächelte und nickte, auch den sie es nicht sah. Ich würde es schaffen, auf jeden Fall!

Urplötzlich klingelte mein Handy und ich konnte gerade noch rechtzeitig meine Tasse festhalten.
"Sumimasen.", entschuldigte ich mich höflich bei meiner Mutter, bevor ich aufstand und aus dem Raum ging. Ich empfand es als unhöflich direkt alles vor meiner Mutter zu besprechen, obgleich ich Geheimnisse vor ihr hatte oder nicht und diese hatte ich sowieso nicht.
"Mochi Mochi.", meldete ich mich gewohnt japanisch auf die mir trotzdem unbekannte Nummer. Ja ich hatte meine Handynummer angegeben, da man mich darunter immer erreichte und nicht so wie bei meinem Festnetz, wo ich eigentlich sehr selten wirklich ran ging.
"Okay, ich ich bin in zwei Tagen dann zur nächsten Runde da.", antwortete ich schlussendlich und legte wieder auf, bevor ich zurück zu meiner Mutter ging.
"Und wann geht es weiter?", fragte diese daraufhin worauf ich ihr die genaue Zeit nannte.
"Ich habe vor eine Mischung aus vielen Bass Solos zu spielen, aber ja nur von Bands aus unserem Land.", gab ich daraufhin als neuen Ansatz für ein Gespräch preis.
"Ist das nicht ein wenig kurz?" "Naja, vielleicht, aber das kann ich eben am besten."
Anschließend tranken wir auch weiter Tee und ich verblieb noch den ganzen Nachmittag bei meiner Mutter, da ich auch meinen Vater wieder einmal sehen wollte, immerhin kam ich nur noch selten.

...

Solo:

„Du Schätzchen, ich muss jetzt auflegen. Mein Freund kommt in ungefähr einer Stunde und ich muss mich noch hübsch machen“, entschuldigte meine Freundin bei mir. „Klar, kein Thema. Hab auch noch was zu tun, wir sehen uns ja eh morgen, ne? Sag deinem Freund einen schönen Gruß von mir. Ach und wehe du kommt wieder zu spät nach Hause, wir müssen morgen arbeiten und so langsam gehen mir die Ausreden aus.“ Ich lachte und verabschiedete mich, nachdem sie sich tausendmal bei mir entschuldigt hatte und steckte mein Handy wieder ein.
Gerade wollte ich mich in mein Zimmer begeben, das neue Buch aus meinem Nachttisch angeln und anfangen zu lesen, als mein Handy sich wieder meldete. Verwirrt fischte ich es wieder aus meiner Hosentasche und schaute es an. Eine unterdrückte Nummer.
Eigentlich ging ich nie ran, wenn mich jemand unbekanntes anrief, aber wer weiß. Vielleicht war es ja ein Manager vom Casting heute. Komisch, das ging echt schnell.
Fragend hob ich ab und ein fragendes „Hallo?“ kam über meine Lippen.
Dieser Jemand auf der anderen Leitung zögerte. Was zum..?
„Hallo Liebling..“ raunte mir eine tiefe Stimme entgegen. Ich riss die Augen auf.
„Vater..“

Die Stunden schienen sich nur so zu ziehen und Abends, so gegen 20 Uhr war mein Vater auch endlich wieder von den "Toten" zurückgekehrt. Naja wie mans nimmt, er wirkte nämlich noch ausgelaugter als sonst, doch trotz allem hatten wir es hier besser, da man sich sogar in unserem Heimatland hätte zu Tode arbeiten können, obwohl dies ja eigentlich überall möglich war, dort aber am häufigsten vorkam.
Von ihm wurde ich zuerst überrascht gemustert, dann aber auch in den Arm genommen und ja bei ihm fühlte ich mich wieder, wie ein kleines Kind, er war nämlich noch größer als ich und oder meine Mutter.
Zusammen aßen wir je eine kleine Schale Misosuppe und redeten noch ein wenig, bevor ich mich auch wieder auf den Heimweg machte, denn immerhin musste ich auch noch Arbeiten und konnte mir es nicht leisen, zu fehlen.
Ich arbeitete in einem der wenigen Feinkost Läden zu denen eine riesige Teeauswahl gehörte und genau dort fühlte ich mich heimisch, auch wenn es manchmal echt zum Haare raufen war, die Kunden passend zu beraten.
Nach einem kleinen Fußmarsch, indem mir mein Bass doch den Weg etwas verlängerte, kam ich bei meinem Zuhause an. Es war eine kleine Wohnung in einem Hochhaus und mit dem Fahrstuhl gelangte ich erst einmal in den 20 Stock, wo ich meine Eingangstür aufschloss.
Noch duschen, umziehen und dann konnte ich mir endlich meinen Schlaf gönnen, auch wenn ich manchmal eine kleine Nachteule war.
...

Entsetzt starrte ich mein Handy an. Warum rief mein Vater an? Woher hatte er meine Nummer? Was erlaubte er sich eigentlich?!
„Wo, zum Kuckuck, hast du meine Nummer her?!“, brüllte ich auch sogleich in den Höher und wartete gar keine Antwort ab.
„Wie dreist bist du eigentlich mich jetzt anzurufen? Ich hab dir schon x-mal gesagt, ich komm nicht wieder, nein, ich will dich nicht sehen und auf gar keinen Fall werde ich, wie du es nennst, VERNÜNFTIG WERDEN!!“ Ich kochte vor Wut, knirschte mit den Zähnen und ohne meinen Vater auch nur einmal zu Wort kommen zu lassen, drückte ich ihn weg.
Pah! Dieser Idiot! Als ob ich mit ihm freiwillig reden würde, schon so oft hatte ich es ersucht und es war immer wieder gescheitert. Seufzend rieb ich mir meine Schläfen. So langsam bekam ich Kopfschmerzen...
Mein Klingelton riss mich aus meinen wirren Gedanken. Er wagte es...
Schnell ging ich ran und brüllte: „Ich hab dir doch gesagt: Vergiss es!“ Auf der anderen Leitung kam ein verwirrter Aufschrei und sogleich verpuffte meine Wut, nur um für die Verwirrtheit Platz zu machen.
„E-entschuldigung? Spreche i-ich mit einer gewissen Ann´ Tailor?“, fragte mich eine zittrige, dünne Frauenstimme.
„Oh, äh, ja. Sorry, ich dachte Sie wären jemand anderes.“, ganz leicht färbten sich meine Wangen rosa.
„K-kein Problem. Ich sollte Sie informieren, wann die nächste Vorstellungsrunde beginnt.“ Sie klang ziemlich schüchtern.
„Oh, Sie sind von dem Management der Band, hm? Ihr ruft aber früh an.“
„Ähm, ja, also ich s-sollte Ihnen nur sagen, dass das nächste Casting am kommenden Dienstag, 7 PM (19 Uhr)“ flüsterte die Frau schon fast.
„Ganz schön früh, aber okay. Ich werde da sein, am selben Ort wie heute?“, fragte ich und lief direkt auf meinen, in der Küche hängenden Kalender zu.
„Ja, genau da.“
„Alles klar, dann bis dann. Auf Wiedersehen.“
„Auf Wiedersehen.“ Und schon war das Gespräch vorbei. Seufzend trug ich den Ort und das Datum in der Dienstag-Spalte ein und machte mich dann endlich auf zu meinem Schlafzimmer.
Irgendwie war ich fix und fertig!

Obwohl ich bereits schon fast todmüde in meinem Bett lag, konnte ich dann doch nicht so recht einschlafen. Die Gedanken daran, was ich in zwei Tagen spielen würde, quälten mich schon fast, da ich mir noch immer nicht besonders sicher war.
Nach einiger Zeit, in der ich noch nicht zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen war, schlief ich dann doch ein und glitt langsam in einen Traumlosen Schlaf.
Der nächste Morgen folgte darauf dann doch viel zu früh, was ich nur daran bemerkte, dass mich mein Wecker wieder aus meinem Schlaf riss. Seufzend erhob ich mich wieder aus meinem warmen Bett, während mich sofort die Kälte des Bodens empfing, als ich meine unbekleideten Füße daraufstellte. Mit einem Handtuch in der Hand, ging ich ins Badezimmer, bevor ich mich dort unter die kalte Dusche stellte.
...

Friedlich schlief ich in meinem Bett und träumte von bunten Katzen. Komisch, aber irgendwie auch cool, wie sie so geschickt tanzten.
Leider stoppten die Miezen als mein Wecke klingelte und somit leider den abgefahrenen Traum beendete. Grummelnd stand ich auf und streckte mich. Ich wollte so gerne weiter träumen, aber ich musste zur Arbeit. Also begab ich mich ins Bad um mich zu waschen. Nur kurz, ausgiebig duschen dauerte zu lange. Einmal kurz abbrausen und wach zu werden reichte völlig.
Wacher als vorher stellte ich mich vor meinen Schrank und kramte eine kurze Hose plus Hemd heraus (Alltag 4).
Fertig angezogen und auch schon geschminkt, begab ich mich in die Küche um etwas zu frühstücken. Dabei dachte ich über meinen kommenden Auftritt nach. Was sollte ich denn vorführen?